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Homo narrans – wir alle hören und erzählen gerne Geschichten …
Baden-Württemberg und Luft- und Raumfahrt?
Bei Luft- und Raumfahrt denken viele an Unternehmen wie Airbus, Boeing, SpaceX oder Blue Origin, aber auch an Institutionen wie die NASA. Häufig geht dies auf deren Platzierung in Filmen und Serien einher. Mit Deutschland oder gar Baden-Württemberg wird die Luft- und Raumfahrt nur selten in Verbindung gebracht.
Schaffe, Schaffe, Fluggerät baue
Doch gerade in Baden-Württemberg können wir auf eine lange Tradition in der Luft- und Raumfahrt zurückblicken. Unsere Wurzeln reichen von Zeppelin und Dornier bis hin zur ersten Luftfahrtprofessur im Jahre 1911 an der damaligen Technischen Hochschule Stuttgart (heute: Universität Stuttgart).
Heutzutage besteht unsere vielfältige Unternehmerlandschaft neben großen Unternehmen wie Airbus Defence and Space, Ariane Group, Thales Alenia Space, Tesat Spacecom, Recaro Aircraft Seating oder Diehl, auch aus zahlreichen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Komponenten- und Zuliefererbereich. Zentrale Kompetenzen liegen beispielsweise in der Entwicklung und Produktion von Satellitensystemen, Satellitenkommunikationssystemen, Radartechnik oder Cockpit- bzw. Flugzeugausstattung. Jedes unserer Luft- und Raumfahrtunternehmen leistet einen wichtigen Beitrag für die Zukunft der Luft- und Raumfahrt in Baden-Württemberg, Deutschland, Europa und der Welt. Baden-Württemberg hat jedoch nicht nur im wirtschaftlichen Bereich diverse Kompetenzen zu bieten.
Sowohl in der universitären Forschung als auch in der außeruniversitären Forschung verfügt THE aerospace LÄND über eine Vielzahl an Forschungseinrichtungen. So ist die Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik und Geodäsie der Universität Stuttgart die größte staatliche Luft- und Raumfahrtfakultät Europas und auch am Campus Friedrichshafen der Dualen Hochschule Baden-Württemberg oder am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wird Luft- und Raumfahrtforschung betrieben. Darüber hinaus haben renommierte Forschungseinrichtungen wie das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR), die Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) sowie die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) mehrere Standorte in Baden-Württemberg.
Auch im Bereich Luftverkehr hat Baden-Württemberg einiges zu bieten. Zum Beispiel können von den Flughäfen Baden-Württembergs 129 verschiedene Ziele erreicht werden. Außerdem können fünf baden-württembergische Flughäfen auf eine mindestens 100-jährige Tradition zurückblicken: Flughafen Stuttgart, Flughafen Friedrichshafen, Flughafen Freiburg, Flugplatz Konstanz und Flugplatz Lahr.
Über den MINT-Horizont hinaus
Wir sehen, im Bereich Luft- und Raumfahrt wird in Baden-Württemberg viel geforscht, entwickelt und produziert. Ebenso ist das Vereinswesen in Baden-Württemberg sehr stark. So gibt es beispielsweise drei bekannte universitätsnahe studentische Luft- und Raumfahrtvereine in Baden-Württemberg. Vielleicht wären KSat e.V., HyEnD e.V. und SeeSat e.V., wenn man an einer dieser Heimathochschulen dieser Vereine studiert, auch für euch ein Ort, um möglichst frei an Luft- und Raumfahrtthemen arbeiten zu können?
Es gibt allerdings noch weitere Bereiche, die es zu berücksichtigen gilt. Denn Luft- und Raumfahrt geht über den MINT-Horizont hinaus. So befassen sich beispielsweise das Zeppelin-Museum und das Dornier-Museum (beide in Friedrichshafen) sowie das Technikmuseum Sinsheim mit der Luft- und Raumfahrt und ihrer Geschichte. Gleichermaßen gibt es eine Vielzahl an Planetarien, die einen Einblick in den Weltraum ermöglichen.
Man muss jedoch über den Tellerrand hinausschauen und schauen, wie man das Thema auch außerhalb der MINT-Fächer und Hochschulen für sich selbst erschließen kann. Als Künstlerin oder Künstler könnte man sich zum Beispiel im Luft- und Raumfahrtmarketing verwirklichen; als jemand, der gerne mit Menschen umgeht und gerne organisiert, könnte man sich Luft- und Raumfahrtberufe in der Eventorganisation, Verwaltung oder strategischen Planung vorstellen. Und durch das Projekt bzw. die Strategie ‚THE aerospace LÄND‘ wird es auch politisch immer interessanter in diesem Bereich. Selbst Bereiche wie Jura (Weltraumrecht) oder Landwirtschaft (Nahrungsmittelanbau im Weltraum) tragen bereits zur Luft- und Raumfahrt bei.
"Der Weltraum - unendliche Weiten." (Star Trek)
Luft- und Raumfahrt ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, denn auch wenn es auf den ersten Blick nicht unbedingt ersichtlich ist, ohne die zahlreichen Anwendungen aus diesem Bereich wäre unser alltägliches Leben so nicht möglich!
Navigation, Satellitenfernsehen, die Wettervorhersage, Katastrophenschutz oder der Kampf gegen den Klimawandel sind nur einige Themen, für die Luft- und Raumfahrtanwendungen essenziell sind.
Wie du siehst, ist die Luft- und Raumfahrt ein sehr wichtiges Thema. Vermutlich seit der Mensch Vögel beobachtet und den Wunsch hegt, mit ihnen durch den Himmel zu fliegen – damals wie heute und auch in Zukunft.
Hierfür gilt es die bestehenden und zukünftigen Herausforderungen zu meistern und die Luft- und Raumfahrt Baden-Württembergs weiter voranzutreiben.
Kurze Geschichte der Luft- und Raumfahrt in Baden-Württemberg
Bei der Frage, wann die Geschichte der Luft- und Raumfahrt in Baden-Württemberg beginnt, gibt es sicherlich viele Startdaten. Vielleicht träumte schon der Homo heidelbergensis vor ca. 600.000 bis 200.000 Jahren davon, mit den Vögeln um die Wette zu fliegen? Die Frage ist auch: Worauf wollen wir uns in dieser baden-württembergischen Luft- und Raumfahrtgeschichte konzentrieren? Wir würden sagen, unser Fokus liegt in dieser Geschichte stärker auf der Technik.
Bild 1: Der Unterkiefer von Mauer (Original)
Johannes Kepler
Vielleicht beginnen wir unsere Geschichte mit Johannes Kepler (1871-1630), einem der bedeutendsten Astronomen und Mathematiker, welcher in Weil der Stadt in Baden-Württemberg geboren wurde. Er entdeckte die drei Keplerschen Gesetze der Planetenbewegung, die das heliozentrische Weltbild bestätigten und den Grundstein für die moderne Himmelsmechanik legten.
Der "Schneider von Ulm"
Eine weitere Figur aus der Geschichte ist als „Schneider von Ulm“ bekannt geworden. Albrecht Ludwig Berblinger lebte zwischen 1770 und 1829 in der baden-württembergischen Stadt Ulm. Bekannt wurde er durch seine Erfindung des Hängegleiters und seinen Absturz. Er überlebte diesen, allerdings verlor er soziales Ansehen und verarmte bitter.
Bild 2: Der Flugversuch des „Schneiders von Ulm“ (zeitgenössische Darstellung)
Der Leipziger Buchhändler und einer der Väter des Automobils
Im 19. Jahrhundert baute der Leipziger Buchhändler Dr. Friedrich Hermann Wölfert einen lenkbaren Ballon. Gottlieb Daimler rüstete diesen Ballon mit einem Verbrennungsmotor aus. Dieser Lenkballon startete am 10. August 1888 von Gottlieb Daimlers Versuchswerkstatt auf dem Seelberg bei Cannstatt.
Zeppelin, ein Wort, ein Name
Wenige Jahre später erwarb der Kavallerieoffizier Ferdinand von Zeppelin die Patente und Pläne des ersten Starrluftschiffes von David Schwarz, dessen irreparable Zerstörung bei der Landung in Berlin am 03.11.1897 er miterlebt hatte. Er selbst ließ sich 1898 den Entwurf eines lenkbaren Luftfahrzeugs patentieren. Das erste Luftschiff von Zeppelin (LZ 1) absolvierte am 02.07.1900 seine Jungfernfahrt auf dem Bodensee. Diese Zeppeline wurden weltberühmt und legten den Grundstein für die Luftfahrtindustrie in der Region.
Bild 3: Postkarte von 1916: Luftschiff und Aeroplan bei Friedrichshafen
Vereinswesen
1908 wurde der Mannheimer Flugsportclub und der Württembergische Verein für Luftschifffahrt gegründet. Ein weiterer Luftsportverein wurde 1910 in Karlsruhe gegründet.
Der erste 'Flughafen'
1910 wurde der erste deutsche Passagierflughafen Baden-Oos eröffnet. Er war für Luftschiffe gebaut worden.
Bild 4: Luftschiffshalle auf dem Flugplatz
Früh in Bildung investiert
1911 wurde an der Universität Stuttgart die erste Professur für das Fachgebiet „Luftschifffahrt, Flugtechnik und Kraftfahrzeuge“ in Deutschland eingerichtet. Damit wurde Stuttgart zum Zentrum der Luft- und Raumfahrtforschung bis heute.
Dornier
Eine weitere historische Station ist Claude Honoré Désiré Dornier. Er war Mitarbeiter bei Zeppelin, wo er sich auf den Flugzeugbau konzentrierte, eine eigene Abteilung bekam und später Geschäftsführer eines Zweigwerks wurde. 1932 fiel der Startschuss für sein Dornier-Werk. Er übernahm das Zweigwerk. Dort baute er die ersten Ganzmetallflugzeuge - bspw. Flugboote.
Bild 5: Der Start des Riesenflugbootes "Do X" zu dem Rekordflug mit 169 Personen an Bord auf dem Bodensee bei Altenrhein.
Pioniere(-innen)
Im 20. Jahrhundert sind weitere Pioniere aus Baden-Württemberg zu nennen, darunter Hanns Klemm (Flugzeugkonstrukteur), Ernst Heinkel (Flugzeugkonstrukteur), Wolf Hirth (Segelflugpionier), August Wilhelm Maybach (Luftschiffmotoren) sowie Klaus Holighaus (Flugzeugkonstrukteur). Sie alle haben die Geschichte maßgeblich beeinflusst. Die genannten Pioniere entwickelten wegweisende Technologien und Flugzeuge.
Innerhalb Deutschlands ist darüber hinaus auf eine Reihe von historischen Pionierinnen zu verweisen, die die Luft- und Raumfahrt maßgeblich mitgeprägt haben. Als Beispiele können Amelie Hedwig Boutard-Beese, eine Pilotin, sowie Käthe Paulus, eine Berufsluftschifferin und Erfinderin, genannt werden. Innerhalb der Luft- und Raumfahrt ist jedoch bis heute ein Mangel an weiblichen Akteurinnen zu verzeichnen.
Bild 6: Melli Beese im Fliegerpelz vor dem Poulain-Renneindecker von Charles Boutard
Raumfahrt
Im Jahr 1962 wurde das nationale Raumfahrtprogramm der Bundesrepublik Deutschland ausgerufen. Gleichzeitig wurde seitens der Firma Dornier ein Raumfahrtbereich unter der Bezeichnung Dornier-System GmbH gegründet. Dornier entwickelte Forschungssatelliten und Raumsonden, welche heute zum Geschäftsbereich von Airbus Defence and Space gehören. Seit den 1960er Jahren werden in Lampoldshausen ebenso Raketentriebwerke getestet, wodurch das Thema Luft- und Raumfahrt in Baden-Württemberg zunehmend an Präsenz gewann. Das Forschungsinteresse wuchs und es kam zur Gründung zahlreicher Unternehmen, welche mit ihren Produkten verschiedene Bereiche der Luft- und Raumfahrt abdeckten.
Apollo-11 und Baden-Württemberg
Die Apollo-11-Mission, die 1969 als erste bemannte Raumfahrtmission den Mond erreichte, hatte eine besondere Verbindung zu Baden-Württemberg. Technik aus der Region spielte eine entscheidende Rolle: Die Drahtweberei Spörl, ein Unternehmen der Bopp-Gruppe, lieferte feinste Stahlfedern und Drahtgewebe, die in verschiedenen Teilen der Mission unverzichtbar waren.
Bereits 1968 stellte die Spörl/Bopp-Gruppe insgesamt 240 Filter für das Raumschiff "Columbia" sowie 112 Filter für die Mondlandefähre "Eagle" (Adler) her. Darüber hinaus wurden mehrere hundert Filter für die Raumanzüge sowie die Sicherheits- und Rettungssysteme der Astronauten Neil Armstrong, Edwin Aldrin und Michael Collins produziert. Diese Komponenten waren für die Sicherheit und den Erfolg der Mission von größter Bedeutung. In Anerkennung dieser herausragenden Präzisionsarbeit wurde dem Unternehmen das offizielle NASA-Emblem der Apollo-11-Mission verliehen.
Bild 7: "Eagle" (Adler) auf der Tranquility Base, 20. Juli 1969. Neil Armstrong fotografiert Buzz Aldrin
Gegenwärtig
Auch gegenwärtig nimmt Baden-Württemberg eine herausragende Stellung als Standort für die Raumfahrtindustrie ein. Ein Beispiel für einen weltweit führenden Raumfahrtkonzern mit Sitz in Baden-Württemberg ist die Firma Tesat in Backnang. Das Unternehmen ist auf die Herstellung von Laserterminals spezialisiert, welche die Kommunikation zwischen Satelliten im All ermöglichen. Zu den weltweit führenden Unternehmen der Luft- und Raumfahrtindustrie zählt zudem Airbus. Des Weiteren hat die Landesregierung das "Zeitalter des Aerospace Länd" ausgerufen und investiert in eine umfassende Luft- und Raumfahrtstrategie. Die Förderung der Vernetzung von Forschung und Industrie stellt ein wesentliches Element der Strategie dar, um die Innovationskraft des Landes weiter zu stärken. In Baden-Württemberg sind rund 16.000 Personen im Luft- und Raumfahrtsektor tätig, der einen jährlichen Umsatz von fünf Milliarden Euro generiert. Insbesondere die zahlreichen kleinen Zulieferunternehmen tragen maßgeblich dazu bei, dass Baden-Württemberg ein idealer Standort für die Raumfahrt bleibt.
Raumfahrende
Alexander Gerst gehört zweifelsohne zu den prominentesten deutschen Astronauten. Er wurde im baden-württembergischen Künzelsau geboren. Bislang hatte er die Gelegenheit, zweimal in den Weltraum zu fliegen (2014, 2018), wobei er sich insgesamt mehr als 362 Tage dort aufhielt. Des Weiteren absolvierte er ein Studium der Geophysik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Bild 8: Baden-Württembergs Astronaut und zeitweise ISS-Kommandant der Mission Horizons. Alexander Gerst
Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass Gerst die einzige Person aus Baden-Württemberg sein wird, die den Weltraum besuchen darf. Insa Thiele-Eich, Meteorologin und in Heidelberg geboren, bereitet sich ebenfalls wie Ihre Kollegin Lisa Maria Hass, Entwicklungsingenieurin aus Bempflingen im Kreis Esslingen, auf eine anspruchsvolle Mission vor. Das Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) der Universität Stuttgart ist maßgeblich an der Gestaltung der Ausbildung von Astronautinnen und Astronauten beteiligt. Es ist jedoch zu konstatieren, dass auch außerhalb Baden-Württembergs ein Nachwuchs an Expertinnen und Experten für die Raumfahrt existiert. In diesem Kontext sind Amelie Schönenwald und Nicola Winter von entscheidender Bedeutung. Letztere ist darüber hinaus Kampfpilotin.
Quellen Bilder:
Bild 1: Von Gerbil - Eigenes Werk, CC BY 3.0, LINK: Wikimedia Commons
Bild 2: Von Anonym - LINK: Berblinger Ulm Presse Bilder, Gemeinfrei, LINK: Wikimedia Commons
Bild 3: Von Autor/-in unbekannt - Ursprung unbekannt, Gemeinfrei, LINK: Wikimedia Commons Luftschifff
Bild 4: Von Autor/-in unbekannt - postcard, Gemeinfrei, LINK: Wikimedia Commons
Bild 5: Von Bundesarchiv, Bild 102-08580 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, LINK: Wikimedia Commons
Bild 6: Von Bundesarchiv, Bild 183-1983-0617-302 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, LINK: Wikimedia Commons
Billd 7: By Neil Armstrong - NASA Apollo Archive (details: [1], source: [2]) Prepared and restored by Kipp Teague., Public Domain, LINK: Wikimedia Commons
Bild 8: Von NASA/Bill Stafford, Josh Valcarcel and Norah Moran - LINK: Flickr, Gemeinfrei, LINK: Wikimedia Commons
Du willst mehr Wissen? Siehe weiterführende Artikel:
- Wikipedia: Geschichte der Luftfahrt
- Wikipedia: Geschichte der Raumfahrt
- Wikipedia: Luftschiff
- Wikipedia: Claude Dornier
- Wikipedia: Dornier-Werke
- Wikipedia: Johannes Kepler
- Uni Stuttgart: Historie
- BWLV: Geschichte
- Planet Wissen: Ballons
- Planet Wissen: Zeppeline
- Planet Wissen: 'Bionik'
- Planet Wissen: Bemannte Raumfahrt
- MINT Frauen BW: Lisa Marie Haas und der Weg ins All